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Archaische Mispel

Den Mispelgenuss muss man sich verdienen. Aber auch wenn die Zeit zur aufwĂ€ndigen Verarbeitung fehlt, lohnt es sich, diese urtĂŒmliche Frucht in den Garten zu holen.

Wie einen Gruss aus frĂŒherer Zeit nehme ich die Mispel wahr; eine sehr archaische Frucht. Die Mispel – nicht zu verwechseln mit der Mistel, aus der Miraculix seinen Zaubertrank braut – ist fast die einzige Wildobstart, die auch in der Schweiz kulturhistorisch von Bedeutung war. Und dennoch ist sie vielen unbekannt.

Die kugelige, braun-ledrige Frucht mit ihrer ĂŒberdimensional grossen Fliege sagt nicht auf den ersten Blick „iss mich!“. Auch muss man sich den kulinarischen Genuss verdienen. Essbar ist sie erst, nachdem sie dem Frost ausgesetzt war, denn erst dieser baut die in den FrĂŒchten enthaltenen Gerbstoffe so weit ab, dass sie geniessbar werden und leicht nach Aprikose schmecken. Um Vögeln und dem natĂŒrlichen Abfallen der FrĂŒchte zuvorzukommen, können sie aber auch ab Ende September geerntet und eingefroren werden.

Mispelsorten wie die ‘Haller‘ haben meist grössere FrĂŒchte als die wilden Mispeln – es bleibt also mehr von der Frucht zur Verarbeitung ĂŒbrig.

Verarbeiten: Gewusst wie

Die Verarbeitung hat es ebenfalls in sich – nur ca. ein Drittel der Frucht kann verwertet werden, der Rest besteht aus Kernen, Fliege und Schale. Hierbei unterscheidet sich aber die Wildform von den zahlreichen Sorten, die daraus gezĂŒchtet wurden und die deutlich grössere FrĂŒchte ausbilden. Ich koche die Mispeln jeweils in Most auf und treibe sie dann durchs Passe-vite, wobei alles Ungeniessbare darin zurĂŒckbleibt. Das so entstandene Mus kann z.B. zu KonfitĂŒre weiterverarbeitet werden, wahlweise kombiniert mit Äpfeln, Birnen oder Hagebutten.

MispelblĂŒten sind bei Insekten beliebt.

Der Trick mit dem Weissdorn

Wie alle anderen bei uns gĂ€ngigen Obstsorten gehören auch die Mispeln zu den RosengewĂ€chsen, erkennbar an den grossen, weissen BlĂŒten mit den fĂŒnf BlĂŒtenblĂ€ttern, die im Mai aus dem Blattwerk leuchten und bei Insekten beliebt sind.

Um sie sortenfest vermehren zu können, mĂŒssen Mispeln veredelt werden. Allerdings ist es nicht ganz einfach, Mispelunterlagen herzustellen. Schon unsere Vorfahr:innen fanden jedoch heraus, dass sich Mispeln auch prima auf Weissdorn – ein anderes RosengewĂ€chs – veredeln lassen. Da Weissdorne oft wild in Hecken vorkommen, war die Unterlage schon gratis vorhanden, was erklĂ€rt, wieso ab und zu in einer Hecke auch Mispelsorten wachsen. Die Mispeln wachsen entsprechend auch eher als Strauch denn als Baum und werden zwei bis fĂŒnf Meter hoch.

Mispeln bleiben meist deutlich lÀnger am Baum hÀngen als dessen BlÀtter und verleihen ihm dadurch eine ganz eigene Schönheit.

Kein schlechtes Gewissen

Ich verarbeite lĂ€ngst nicht alle meine Mispeln – aus Zeitmangel, aber auch, weil sie am Strauch sehr dekorativ sind. Sie bleiben meist deutlich lĂ€nger hĂ€ngen als die BlĂ€tter und wenn sie sich an einem sonnigen SpĂ€tnovembertag gold-braun vom blauen Himmel abheben, dann kann es dieser Anblick in Sachen Schönheit durchaus mit den leuchtend weissen BlĂŒten im FrĂŒhling aufnehmen. Und die Vögel machen sich mit Wonne ĂŒber die FrĂŒchte her, sobald sie am Boden liegen.

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